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*** Julia Kadel Trio

   

Sonntag, 29. Nov. 2015, 18:00
Lokal

     

Julia Kadel | Klavier, Komposition
Steffen Roth | Schlagzeug
Karl-Erik Enkelmann | Kontrabass

 

Das junge Trio um die Berliner Pianistin Julia Kadel zählt mittlerweile zu den Geheimtipps der deutschen Jazzszene. 2011 entstanden, können die Drei bereits große Erfolge verzeichnen: Im Herbst 2013 wurden gewannen sie den 1. Preis des HFM Jazzpreis, 2014 wurden sie von Universal Music unter Vertrag genommen für das erste Album. Dieses darf das Logo des legendären Jazzlabels Blue Note tragen. Die Pianistin war zuletzt im RBB Fernsehen in der Sendung "Stilbruch" zu sehen, wo sie ihr Triokonzert auf dem neuen XJAZZ Festival in Berlin ankündigte.

Neben den Kompositionen der Pianistin gibt es auch immer eine Musik zu hören, die frei dem Moment entspringt, die weiterführt in Kompositionen oder einfach für sich steht. Vor allem aber geht es um eine persönliche Stimme im Zusammenspiel dreier musikalischer Charaktere.

Julia Kadel zeigt auf unbeschwerte Art und Weise, wie sich unterschiedlichste musikalische Einflüsse zu einer eigenwilligen, manchmal zerbrechlichen Stimme zusammenfinden können. Der Dresdner Schlagzeuger Steffen Roth entlockt seinem Drumset überraschende Klänge und kommentiert vielschichtig und sensibel. Der Berliner Bassist Karl-Erik Enkelmann gibt dem Trio seinen ausgeprägten Sinn für große Bögen und exzentrische Melodien hinzu.

Die Drei machen sich Spontaneität zum Programm und nehmen sich dazu alle Freiheiten, die sie brauchen.2014 julia kadel

Julia Kadel

Julia Kadel Trio in Leipzig

IM VERTRAUEN
Blue Note / Universal Music 06025 3789836

Von Berlin nach LA und zurück: In Berlin nahm die 27-jährige Pianistin Julia Kadel mit ihrem Trio das gemeinsame Debütalbum Im Vertrauen auf. Das soll erstmals auf Tonträger die Musik festhalten, die die junge Formation zu einem Geheimtipp der hiesigen Musikszene gemacht hat. In LA gelangte Blue-Note-Labelchef Don Was in den Besitz einer Vorabkopie des Albums - und war begeistert: „Sie ist eine fantastische Musikerin", vermeldete er der deutschen Dependance, und weiter: „Vor 75 Jahren begann die Geschichte des Labels mit zwei Berliner Exilanten, ich bin sicher dass Alfred Lion, wäre er noch unter uns, Julia Kadel mit Freude unter Vertrag nehmen würde."

Jetzt liegt das Album offiziell vor und trägt nicht ohne Stolz das Blue-Note-Logo. Eine junge musikalische Stimme und ein legendäres Label, eine spannende Kombination.

Dabei mag der eine oder andere fragen: Schon wieder ein deutsches Jazz-Klaviertrio? Ist in der Kombination von Piano-Bass-Schlagzeug nicht längst alles formuliert, was für die nächsten 25 Jahre gesagt werden kann? Diese Zweifel wären mehr als berechtigt - wenn das Julia Kadel Trio uns nicht just in diesem Augenblick zeigen würde, dass zum Thema Klaviertrio eben doch noch lange nicht alles gesagt ist.

Pianistin Julia Kadel, Bassist Kalle Enkelmann und Schlagzeuger Steffen Roth haben einander gesucht und gefunden. In der gemeinsamen Klangeroberung heben die Drei die Gesetzmäßigkeiten aus den Lehrbüchern „Jazz" und „Triomusik" auf. Sie folgen ihren eigenen Regeln, und die werden bei jedem Auftritt und auch auf ihrem ersten Album Stück für Stück neu formuliert. Die assoziativen Titel der Aufnahmen weisen dabei den Weg: „Regentag", „Fragen", „Alles wollen". Ob dies nun Jazz oder etwas ganz Anderes ist, zählt nicht vorrangig. Mit Sicherheit ist es emotionale Musik, die Melodien und Grooves, Komponiertes und Improvisiertes fein ausbalanciert, sich genauso an den jazzbewussten Gourmet wie an den flexiblen Klassik-Hörer und den offenherzigen Pop-Fan wendet.

Eigene Regeln aufzustellen ist für die drei jungen Musiker aber nicht gleichbedeutend mit dem Bruch aller bestehenden Konventionen. Kadel, Enkelmann und Roth nehmen sich lediglich die Freiheit, den reichen Fundus der Traditionen von Klassik über Jazz bis Pop nach eigenem Gusto auszulegen. Sie legen neue Schienen, Straßen und Feldwege aus, auf denen der Klang sich in jede denkbare Richtung bewegen kann. Anders als die meisten Klaviertrios der Gegenwart folgen sie dabei nicht historischen Vorbildern nach, sondern bewegen sich selbstbewusst in einem Koordinatensystem, das von der eigenen Lebenswirklichkeit und Welterfahrung vorgegeben wird. Auf diese Weise findet das Julia Kadel Trio etwas, auf das man in dieser Form im zeitgenössischen Jazz ganz selten stößt: ein stabiles Dreieck von unbändiger Spielfreude, höchstem musikalischen Können und kompositorischem Abstraktionsvermögen, alles durchdrungen von mitreißender Lebensnähe. Das verschworene Ineinandergreifen teils gegensätzlicher, aber einander ergänzender Vorlieben, Haltungen, Impulse und Intentionen erscheint beim Hören so leicht und selbstverständlich, weil es einem organischen Fluss folgt: So sind die Drei einfach.

Die Einheit des Trios beruht auf den unterschiedlichen Charakteren der drei Protagonisten. Kalle Enkelmann und Steffen Roth bilden eine festgefügte Rhythmusgruppe. Sie umtanzen einander, wobei man selten genau zuordnen kann, wer gerade führt. Traumwandlerisch changieren beide zwischen ätherischer Leichtigkeit und erdkernhafter Schwere. Auf diesem Fundament kann sich die Pianistin jede nur denkbare erzählerische Freiheit nehmen. So gelingt dem Trio ein seltenes Kunststück: Der im Jazz viel zu inflationär gebrauchte Begriff „Freiheit" ist auf dieser CD endlich einmal ernst gemeint. Die drei jungen Musiker spielen im Freiflug, was ihnen aus den Cockpits ihrer Imagination in die Finger fließt. Da ist nichts, was weggelassen werden müsste, weil „man das so nicht macht". Alles ist möglich, solange es nicht beliebig wird. Die entspannte Konzentration und verspielte Ernsthaftigkeit, die sich hier vom ersten bis zum letzten Ton offenbart, der verbindlich plaudernde, aber stets fundierte und wohl artikulierte Grundton, ja die unglaubliche Spielkultur ohne jeden Missionierungswillen machen die Verführungskraft dieser CD aus.

Mit dem Julia Kadel Trio betritt eine junge Formation die europäische Szene, deren unbedingter Mitteilungswille in eine ganz unverwechselbare Sprache mündet. Kein Geringerer als Till Brönner wurde auf die poetische Power des Trios aufmerksam und machte sich selbst zu einem bedingungslosen Förderer der drei Newcomer. Hier steht etwas in den Startlöchern, das man am besten mit einem einzigen Wort beschreibt: Groß!

 

 


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